Herr von Hornthal hat in der bayerischen Kammer der Abgeordneten den
Antrag gemacht,
daß man die bestehenden strengen Verordnungen über die
pflichtmäßige Verschwiegenheit der Beamten,
als unvereinbar mit
einer konstitutionellen Regierung, aufheben oder lindern möchte.
Das ist
ein Wort zu seiner Zeit, aber freilich nur ein Wort, und zu einer
langen Rede wäre Stoff genug vorhanden. Wenn irgend eine Regierung
geheimnisvoll verfährt, so ist dies das Traurigste nicht – das
Traurigste wäre, wenn sie das Bedürfnis fühlte, so zu verfahren.
Wenn
bestehende und bekannte Gesetze in gegebenen Fällen nach voraus
bestimmten Regeln angewendet werden, wozu täte dann Verschwiegenheit der
Beamten not? Sollte man nicht vielmehr jede Gelegenheit benutzen, den
Bürgern, die sich selten auf den theoretischen Wert der Gesetze
verstehen, bei deren Ausübung zu zeigen, wie nützlich sie sind? Wozu
jener Hokuspokus und aller sonstiger Schnickschnack, dem man in dem
Treiben der Beamten so oft begegnet?
Ernst soll der Gesetzgeber, streng
der Richter, aber der Verwaltungsbeamte kann nicht heiter, nicht
freundlich, nicht zutraulich, nicht offen genug sein. Man muß denjenigen
Teil der Regierung, der heilkünstlerisch verfährt und die Schärfe des
wundärztlichen Messers wie die Bitterkeit der Arzneien nicht erlassen
kann, von demjenigen unterscheiden, der die Lebensordnung der Bürger
regelt und sich nur der Hausmittel bedient.
Aber in einer deutschen
Amtsstube riecht alles nach der Apotheke. Tritt man hinein, so geschieht
von zweien Dingen eins. Entweder man ist unerfahren, und dann fühlt man
sich das Herz wie zugeschnürt über diese ängstliche Stille, diese
Grämlichkeit der Beamten und ihr geisterartig hohles und gefühlloses
Reden. Oder man kennt die Welt, und dann lächelt man nur allzu viel,
weil man nur allzu gut
weiß, daß diese finstern Götter so unerbittlich nicht sind. In dem
einen Falle geht die Liebe, in dem andern die Achtung verloren.
(Ludwig Börne)