Herr von Hornthal hat in der bayerischen Kammer der Abgeordneten den
Antrag gemacht,
daß man die bestehenden strengen Verordnungen über die
pflichtmäßige Verschwiegenheit der Beamten,
als unvereinbar mit
einer konstitutionellen Regierung, aufheben oder lindern möchte.
Das ist
ein Wort zu seiner Zeit, aber freilich nur ein Wort, und zu einer
langen Rede wäre Stoff genug vorhanden. Wenn irgend eine Regierung
geheimnisvoll verfährt, so ist dies das Traurigste nicht – das
Traurigste wäre, wenn sie das Bedürfnis fühlte, so zu verfahren.
Wenn
bestehende und bekannte Gesetze in gegebenen Fällen nach voraus
bestimmten Regeln angewendet werden, wozu täte dann Verschwiegenheit der
Beamten not? Sollte man nicht vielmehr jede Gelegenheit benutzen, den
Bürgern, die sich selten auf den theoretischen Wert der Gesetze
verstehen, bei deren Ausübung zu zeigen, wie nützlich sie sind? Wozu
jener Hokuspokus und aller sonstiger Schnickschnack, dem man in dem
Treiben der Beamten so oft begegnet?
Ernst soll der Gesetzgeber, streng
der Richter, aber der Verwaltungsbeamte kann nicht heiter, nicht
freundlich, nicht zutraulich, nicht offen genug sein. Man muß denjenigen
Teil der Regierung, der heilkünstlerisch verfährt und die Schärfe des
wundärztlichen Messers wie die Bitterkeit der Arzneien nicht erlassen
kann, von demjenigen unterscheiden, der die Lebensordnung der Bürger
regelt und sich nur der Hausmittel bedient.
Aber in einer deutschen
Amtsstube riecht alles nach der Apotheke. Tritt man hinein, so geschieht
von zweien Dingen eins. Entweder man ist unerfahren, und dann fühlt man
sich das Herz wie zugeschnürt über diese ängstliche Stille, diese
Grämlichkeit der Beamten und ihr geisterartig hohles und gefühlloses
Reden. Oder man kennt die Welt, und dann lächelt man nur allzu viel,
weil man nur allzu gut
weiß, daß diese finstern Götter so unerbittlich nicht sind. In dem
einen Falle geht die Liebe, in dem andern die Achtung verloren.
(Ludwig Börne)
Es regnete so stark, daß alle Schweine rein und alle Menschen dreckig wurden (Gg. C. Lichtenberg, Sudelbücher, 1776 - 79)
Sonntag, 21. Juni 2015
Dienstag, 16. Juni 2015
Zwischen Vergangenheit und Zukunft fließt ein breiter Strom
Was den Übergang der alten Zeit in die neue so blutig macht, ist die
Enge des Weges, der von jener zu dieser führt. Zwischen Vergangenheit
und Zukunft fließt ein breiter Strom, die Gegenwart ist die Brücke
darüber. Die Angreifenden und die, welche sich verteidigen, die
Vordringenden und die Fliehenden, treiben, drängen und hindern sich
darauf. Tausend Schlachtopfer fallen fruchtlos, ohne den Sieg zu
beschleunigen noch die Niederlage zu verzögern. Aber der Mensch muß auch
gerecht gegen sich selbst sein, das ist nicht seine Schuld, das
Schicksal hat es zu verantworten.
(Ludwig Börne)
(Ludwig Börne)
Dienstag, 9. Juni 2015
Börne über die Vergeblichkeit von Postzensur
* 6. Mai 1786 in Frankfurt am Main, † 12. Februar 1837 in Paris |
Auf twitter veröffentliche ich seit letzter Woche unter @Ludwig_Boerne täglich einen Börne-Aphorismus. Gelegentlich werde ich hier den vollständigen Text posten, so in diesem Fall, der für Börnes unglaubliche Aktualität steht:
Aus einer Rede, die der Abgeordnete Girardin in der französischen Kammer gehalten, erfährt man, daß unter der alten königlichen Regierung die Briefe auf der Post eröffnet wurden, daß dieses unter Napoleon auch geschah und daß es jetzt noch immer geschehe. Sooft man mit manchen Staatsmännern von dergleichen Gegenständen spricht, lächeln sie, und das ist auch wirklich das beste, was sie tun können, denn wie ließe sich ein Lächeln widerlegen? Es ist ein Alphabet, worin die Bestandteile aller möglichen Meinungen enthalten sind. Was antworten sie aber darauf, wenn man sie fragt: haben jene Eingriffe in das Eigentum Ludwig XVI. gerettet, haben sie Napoleon vor dem Untergange bewahrt? Wenn man sie fragt: haben tausend abgeschmackte Polizeikünste, deren Anwendung man sich immer noch nicht schämt, haben sie die spanische, die portugiesische und andere Revolutionen, haben sie den Abfall der südamerikanischen Staaten verhindert? – Was werden sie darauf erwidern können? Werdet ihr nie begreifen, daß ihr es nicht mit Personen zu tun habt, sondern daß euch Sachen feindlich gegenüberstehen, und daß eine Sache, wie die Luft, unverwundbar ist? Ihr jubelt, wenn es euch gelang, einen kleinen Raum luftleer zu machen, und ihr vergesset, daß es dann um so gefährlicher ist für euch, weil in luftleeren Räumen fallende Körper um so schneller fallen. Freilich sind solche Reden vergebens, und man wird damit ausgelacht; aber es ist besser, den Atem als den Verstand verlieren.
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